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Channel: Foodwatch – René Gräber – Der Blog
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Etikettenlügen? Die Goldenen Windbeutel 2012

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Vor einigen tausend Jahren war der Mensch auf das Sammeln, Anbauen und Erjagen seiner Nahrung angewiesen. Die Lebensmittellieferantin „Mutter Natur“ kannte dabei keine Tricks und Schlichen. Es ist zumindest nicht bekannt, dass sich Beeren als Bären tarnten oder umgekehrt. Und es gab wohl auch keine Wölfe, die im Schafspelz herumliefen. Wenn unsere Vorfahren also ein Schaf erlegten, dann war das auch ein Schaf und nichts anderes.

Heute jedoch sieht das Szenario deutlich wüster aus: Die von Menschenhand geschaffene Lebensmittelindustrie erübrigt das Jagen und Sammeln, um den Kühlschrank zu füllen. Aber dafür tischt sie uns einen dicken Sack Lügen auf, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Denn da gibt es eine Reihe von Wölfen in Schafspelzen unter den Nahrungsangeboten, wie die Verbraucherschützer von „Foodwatch“ haben nachweisen können.

Die Macher von Foodwatch küren seit einiger Zeit die frechsten Werbelügen der Lebensmittelindustrie, so auch wieder dieses Jahr. „Der goldene Windbeutel“ heißt dieser Preis für den schlimmsten „Wolf im Schafspelz“. Es ist schon bemerkenswert, was da an Wölfen uns auf den Tisch geschleudert wird.

Bevor ich den „Gewinner 2012“ vorstelle, sollten wir unser Augenmerk aber erstmal auf die anderen richten, die es meiner Meinung nach auch alle auf den obersten Platz des Siegertreppchens hätten schaffen können …

Die Kandidaten für den Wolf im Windbeutel!

Platz Nummer 5: Becel pro.activ – Dies ist eine Margarine, die „aktiv den Cholesterinspiegel“ senken soll – so der Hersteller Unilever. Dies ist eine bemerkenswerte Aussage, zumal diese Art von Aussagen (die eine Art „Heilungsversprechen“ beinhalten), doch eigentlich nur vom Arzt gemacht werden dürfen. Zumindest darf keine Heilpflanze von sich behaupten heilen zu können – so das Heilmittelwerbegesetz. Aber das ist die eine Seite…

Die andere sieht so aus, dass diese Pille im Brotaufstrichformat hoch konzentrierte Pflanzensterine enthält, die für die cholesterinsenkende Wirksamkeit verantwortlich gemacht werden. Die Menge an Sterinen hier entspricht der Menge von Sterinen in fast 6 Kilogramm Brokkoli oder 16 Kilogramm Bananen. Was passiert nun, wenn jemand einen normalen Cholesterinspiegel aufweist und dann diese Bombe zu sich nimmt? Dazu kommt noch, dass die Margarine vielleicht sogar die erwünschte Wirkung hat, aber was hat das mit dem Nutzen zu tun?

Ist es wirklich nützlich, ohne Cholesterin in der Gegend herumzulaufen? Cholesterin ist z.B. ein unverzichtbarer Bestandteil der Zellmembran jeder Körperzelle. Ohne Cholesterin gäbe es keine Menschen, keine Schafe, keine Wölfe usw.

Das Margarinenzeugs ist also vielleicht potentiell gefährlich, ein echter Wolf im Schafspelz also? Auch kann Becel angeblich nicht wirklich nachweisen, dass seine Cholesterinsenkerei zu weniger Herzinfarkten bzw. Arteriosklerose etc. führt. Wo bleibt dann da der Nutzen für den Verbraucher? Einen Nutzen hat das Zeugs dann doch – für den Wolf nämlich. Der verlangt den 6-fachen Preis einer normalen Margarine. Wohl bekomm´s… (http://www.abgespeist.de/becel_proactiv/index_ger.html)

Übrigens: Wer sich ausführlicher mit dem Thema Cholesterin beschäftigen möchte, kann hier meinen Cholesterin-Report anfordern (pdf). Der Report hat 17 Seiten – und ich erlaube mir dafür 4,95 € zu verlangen. Genau: bei soviel Werbestrategien der Marketingstrategen, muss ich für meine Sachen auch mal Werbung machen 🙂

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Doch weiter geht es mit den Kandidaten zum „Goldenen Windbeutel 2012“:

Platz Nummer 4: Die einen täuschen vor, dass was in der Verpackung drin ist, was nicht drin ist. Andere machen das genau anders herum. Radebergers Clausthaler gibt an, dass nichts drin ist, wo was drin ist. Gemeint ist der Alkohol in einem alkoholfreien Bier, das in Wirklichkeit aber 0,45 Vol.-% Alkohol enthält. Auch hier ein 0,45-prozentiger Wolf im Schafspelz. Doch sollte die deutsche Sprache an dieser Stelle mehr als eindeutig sein: „frei“ heißt ohne, null, nix, keins… für die Brauerei ist sich Deutsch ein schweres Sprach, wo „frei“ wohl ganz neu definiert soviel heißt wie: „ein wenig“ im regulären Deutsch. Aber genau das will ja das Radeberger Radebrechen mit der deutschen Sprache bewirken: Suggestion von unbekümmerten Genuss und Gesundheit, weil „aloholfrei“ … hicks.

Der Verbraucher selbst erfährt nur über die Webseite der Firma, dass sich in der alkoholfreien Flasche dann doch 0,45 Prozent verstecken, nicht auf dem Etikett der Flasche. Dabei prahlt Radeberger mit einem gewonnenen Preis, dem „World Beer Award“. Witzigerweise hat hier die Firma ihr Bier nicht als „alkoholfrei“ ausgewiesen, sondern als „Alkoholarmes Premium Lagerbier“ mit „weniger als 0,5 % Alkohol“. Irre – die Wahrheit im Ausland, neu definiertes Deutsch in Deutschland. (http://www.abgespeist.de/clausthaler/index_ger.html)

Platz Nummer 3: Mehr Brutto für Netto – Ein Hackfleisch von Netto, das in seiner „Viva Vital Zubereitung“ (die Marketingfirma sollte eine Gehaltserhöhung bekommen!) mit 30 Prozent weniger Fett aufwarten kann. Tatsache scheint aber zu sein, dass das Netto-Gehackse mehr Fett enthält als frisches Hackfleisch – falls ein hochwertiges und mageres Fleisch durch den Wolf gedreht wird. Ein Fleischwolf im Schafspelz? Für mich schon. Kommen bei Netto etwa billige, fettreiche „Abfälle“ (ich weiß, hier übertreibe ich) zum Einsatz, die dann mit ca. 30 Prozent Gewichtsanteilen von Wasser, Mehl und Weizeneiweiß gestreckt werden? Diese 30 Prozent wären dann die 30 Prozent weniger Fett. So ginge Mathematik auf Marketingisch.

Unter dem Strich bekommt der Verbraucher, dieses Schaf, satte 30 Prozent weniger Fleisch, dafür aber marketinggerechte Streckmittel. Für diesen Dünnbrettbohrerbrei muss der Kunde dann auch noch 1,50 Euro mehr bezahlen im Vergleich zu abgepacktem, 100-prozentigem Hackfleisch. (5,50 pro Kilo Viva Streckfleisch versus 4,00 pro Kilo reines Hackfleisch). (http://www.abgespeist.de/viva_vital/index_ger.html)

Bei so viel „Erfindungsgeist“ müsste ich eigentlich schon wieder Werbung für meine Bücher machen! Aber das sollte ich dann in diesem „Umfeld“ wohl doch lieber lassen…

Auf zu Platz Nummer 2.

Platz Nummer 2: Letzter Kandidat, der es nicht geschafft hat: Teekannes „Landlust – Mirabelle und Birne“, ein Früchtetee. Das Land hat es in sich, die Sehnsucht nach Ruhe und Ursprünglichkeit sind in. Damit könnte man doch gutes Geld machen, denkt man sich im Hause Mülltonne… ähhh… Teekanne. Also bietet man Landlust an: mit Mirabelle und Birnen auf der Verpackung, wo aber weder Mirabellen noch Birnen drinne sind. Bei Radeberger (siehe oben) war es ja genau umgekehrt: Da waren Sachen drin, die nicht auf der Verpackung standen.

Bei Teekanne nun: Statt Mirabellen und Birnen ist der landlustige Tee mit Billigzutaten versehen, also Äpfel, Hibiskus und Hagebutten. Damit der Tee nicht nach Apfel etc. schmeckt, sondern nach den Früchten, die auf der Verpackung prangen, muss kräftig mit Hilfe der Chemie nachgeholfen werden: mit „natürlichen“ Aromen mit Mirabellengeschmack. Wachsen diese Aromen eigentlich im chemischen Garten der Firma Teekanne?

Jetzt könnte man auf den Gedanken kommen, dass es ungesetzlich ist, Mirabellen etc. auf der Verpackung aufzuführen, aber keine solchen in den Tee zu bringen, sondern nur einen chemischen Geschmacksverwirrer. Nein, ist es nicht. Denn der Produktname und die Abbildungen auf der Verpackung brauchen bloß die Geschmacksrichtung wiederzugeben. Dabei ist es egal ob hier eine Mirabelle und Birne drin ist oder nur ein Geschmacksimitat, also reine Chemie. Dies ist ein Beschluss der Lebensmittebuchkommission des Bundeslandwirtschaftsministeriums. So kann sich der Hersteller Teepanne auch auf die Rechtmäßigkeit seiner Vorgehensweise berufen.

Naja, und damit man mit dem Wellnessprodukt industrieller Billigfertigung auch noch richtig beim Schaf … äh Verbraucher ankommt, muss natürlich ein bekanntes verkaufsförderndes Gesicht aus dem (ehemaligen) Spitzensport her: Steffi Graf. Die macht ein Gesicht beim Teetrinken wie eine Teekanne und suggeriert garantiert „Harmonie für Körper & Seele“, wenn man bereit ist, dem Hause Teekanne 4 Euro pro 100 Gramm „Landlust“ zu übereignen (http://www.abgespeist.de/landlust/index_ger.html). Aber Steffi Graf hat ja angeblich auch beim Konzept der Mrs. Sporty Studios mitgearbeitet – obwohl dieses Konzept m.E. zu 100% aus den USA übernommen wurde. Aber das ist eher ein Windbeutel aus dem Bereich Fitness…

Kommen wir wieder zurück zur Ernährung oder vielmehr der Abspeisung.

Der Gewinner ist ….

Platz Nummer 1: Hipp-Hipp – Hurra!

Hipps Instant Tees mit den klangvollen Namen „Waldfrüchte“ (Waldfrüchte: da denke ich an Tannenzapfen und Pilz – aber das sind ja gar keine Früchte, sondern Pilz), „Früchte“ und „Apfel-Melisse“ sind laut Hersteller der Durstlöscher schlechthin für „Babys, Klein- und Schulkinder“ und der Gewinner des „Goldenen Windbeutels 2012“. Laut Hipp sollte ihr Klientel diese Sachen trinken, da sie (so verstehe ich das jedenfalls aus der Werbung) auf einer Stufe stehen mit Mineralwasser und Fruchtsaftschorlen – stark verdünnt natürlich. Na, dann steht ja einer gesunden Durstlöscherei nichts mehr im Wege, oder?

Da frage ich mich aber, was soll denn an 7,6 Gramm Zucker (ca. 2,5 Stück Würfelzucker) auf 200 Milliliter gesund sein? Hipp verbürgt sich angeblich mit seinem Namen für das, was an Werbeaussagen gemacht wird. Besser stände eine andere Form der Werbung dieser süßen Plörre zu Gesicht: „Diese Tees verordnet der Zahnarzt seiner Familie, damit er am Wochenende was zu bohren hat.“ Aber die Zahnärzte sind nicht besonders gut auf die überzuckerten Tees zu sprechen und sehen darin mit einen gewichtigen Grund für die Entwicklung von Karies schon im zarten Kindesalter. Zudem fördern sie eine frühe Gewöhnung der Kinder an süße Nahrungsmittel, was sich in späteren Lebensjahren als Bumerang erweisen kann: Süß ist fast immer verbunden mit einem Zuviel an Kohlenhydraten, was Übergewicht, Diabetes etc. provoziert.

Mutter Natur hat dagegen für bzw. gegen den Durst das Wasser erfunden. Man spricht zwar hier von „Süßwasser“ (im Gegensatz zu Salz- oder Meerwasser), es hat aber unter natürlichen Bedingungen keinen Zucker aufzuweisen. Warum wohl? (http://www.abgespeist.de/instant_teegetraenke/index_ger.html)

Fazit

Wie zu erwarten, wehren sich die Hersteller gegen die Kritik von Foodwatch und ziehen sich auf die Rechtmäßigkeit ihrer Vorgehensweise zurück. Das stimmt sogar. Aber auch wenn eine Werbelüge staatlicherseits geduldet wird, bleibt sie eine Lüge. Durch die Bank zahlt der Verbraucher viel Geld nicht etwa für ein qualitativ hochwertiges Produkt, sondern nur für die Illusion eines qualitativ hochwertigen Produkts. Verzichten Sie lieber auf solchen Schnick-Schnack.

Wie sie es besser machen könnten, habe ich in meinem Interview zur gesunden und richtigen Ernährung versucht zu beantworten: http://www.gesund-heilfasten.de/ernaehrung/

P.S. Nein, gesunde Ernährung ist NICHT zu teuer!

Dieser Beitrag Etikettenlügen? Die Goldenen Windbeutel 2012 wurde erstmalig von Heilpraktiker René Gräber auf René Gräber - Der Blog veröffentlicht.


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